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Histotripsie - Mit Mikrobläschen gegen Leberkrebs



Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom: HCC) ist eine der zehn häufigsten Krebsarten und hat eine sehr schlechte Prognose. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 8.000 Menschen an Leberkrebs, davon sind zwei Drittel Männer. Eindeutige Symptome treten erst in einem späten Stadium der Erkrankung auf – zudem können diese Symptome auch anderen, weniger schwerwiegenden Erkrankungen zugeordnet werden. Leberkrebs kann sich als Folge einer Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Infektion entwickeln, aber auch Alkoholkonsum oder eine sogenannte Fettleber – ausgelöst durch Übergewicht – kann Leberkrebs hervorrufen.


Zu den klassischen Therapieformen gehören bisher neben operativer Leberteilentfernung oder Transplantation, Bestrahlung und Chemotherapie sowie begleitende komplementäre Verfahren wie Ganzkörper Hyperthermie, Antikörper- und Immuntherapien.


Seit einigen Jahren wird jedoch ein neues, innovatives Verfahren aus den USA zur Behandlung eingesetzt: die Histotripsie.


Fokussierter Ultraschall gegen den Tumor


Histotripsie ist ein Verfahren, bei dem fokussierter Ultraschall genutzt wird, um primäre und metastatische Lebertumore mechanisch zu zerstören. Dabei entstehen durch hochenergetische Ultraschallwellen Mikrobläschen, die das Tumorgewebe gezielt zerstören. Die Lebertumore werden Ultraschallpulsen von wenigen Mikrosekunden Dauer, aber hoher Intensität ausgesetzt. Diese Impulse erzeugen im Zielgewebe Mikrobläschen, die sich schnell ausdehnen und wieder zusammenfallen. Wenn der Ultraschallstrahl auf die Zielstelle trifft, aktiviert er Tausende winziger Gasbläschen, die natürlicherweise im Gewebe des gesamten Körpers vorkommen, auch in Tumoren, als Nebenprodukt des Atmungsprozesses. Normalerweise sind diese Mikrogasbläschen inaktiv, doch durch die Einwirkung der Schallwellen beginnen sie sich auszudehnen, zu vibrieren und schließlich zu zerplatzen. Dadurch entsteht im Tumorgewebe eine energiereiche Wolke aus Mikrobläschen. Diese intensiven, aber sehr präzise lokalisierten mechanischen Kräfte zerstören die Krebszellen und lösen die Tumorstruktur auf. Dieser Vorgang wird als kontrollierte akustische Kavitation bezeichnet, wobei Kavitation die Bildung eines Hohlraums im festen Material beschreibt.

Die Ultraschallimpulse lassen sich exakt auf den Tumor fokussieren, während herkömmliche Ultraschallgeräte zur Bildgebung Pulse mit deutlich geringerer Intensität verwenden. Auch unbehandelte Schwestertumoren verschwinden häufig, wie Experimente mit Ratten zeigten, die von Forschern der University of Michigan durchgeführt wurden.


Wirksamkeit und Anwendung der Histotripsie


Histotripsie wird minimalinvasiv angewendet, und Patienten können oft bereits nach zwei Tagen entlassen werden oder stationär behandelt werden. Der technische Erfolg wird durch den Vergleich des behandelten Tumorareals mithilfe von CT- oder MRT-Bildgebung vor und nach der Intervention überprüft.


Die Histotripsie befindet sich noch in einem frühen Stadium der klinischen Anwendung und ist in Deutschland bisher nur im Rahmen von Studien zugelassen. Das Verfahren wurde an der University of Michigan entwickelt und ist Teil der klinischen Studie, seit 2021 wurden am Rogel Cancer Center der Universität erste Studien am Menschen durchgeführt. Zwei deutsche Institutionen – das Städtische Klinikum Braunschweig und das Universitätsklinikum Magdeburg – beteiligen sich ebenfalls an diesem internationalen Forschungsprojekt. Im Rahmen der Studie wurden Patienten mit primären und metastasierten Lebertumoren behandelt, bei denen herkömmliche Therapiemöglichkeiten bereits ausgeschöpft waren.


Immunantwort auf den Krebs wird aktiviert


Auch bei Metastasen zeigt die Histotripsie vielversprechende Ergebnisse. Präklinische Studien an Nagetieren haben gezeigt, dass das Immunsystem während des Abtransports des zerstörten Gewebes lernt, Krebszellen als Bedrohung zu erkennen und eine natürliche Immunantwort gegen den Krebs zu aktivieren. Forscher gehen davon aus, dass sich die Histotripsie zu einer Therapie entwickeln könnte, mit der Tumore nicht nur in der Leber, sondern auch in anderen Organen wie den Nieren oder der Prostata behandelt werden können.


Vorteile der Histotripsie


  • Präzision und Schonung des umliegenden Gewebes: Die Fähigkeit der Histotripsie, gezielt Tumorgewebe zu zerstören, ohne das umliegende Gewebe thermisch zu schädigen, ist besonders vorteilhaft für Patienten mit Leberzirrhose oder eingeschränkter Leberfunktion.

  • Immunmodulation: Histotripsie kann eine Immunantwort auslösen, die möglicherweise hilft, Metastasen zu kontrollieren oder das Wiederauftreten des Tumors zu verhindern.

  • Nicht-invasive Natur: Da Histotripsie nicht-invasiv ist, verringert sich das Risiko von postoperativen Komplikationen wie Infektionen, Blutungen oder einer verlängerten Genesungszeit.


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